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Zwölf Perspektiven für Wachstum 

Dr. Ricarda Engelmeier
Geschäftsführerin MMK, Founder und CEO MyCollective

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann
Geschäftsführer TCW, Technische Universität München

Wie können Unternehmen die wirtschaftliche Stagnation überwinden und trotz turbulenter Zeiten wachsen? Unternehmen mit gewachsenen Strukturen und Prozessen tun sich oft schwer, darauf Antworten zu finden. Der Dialog mit anderen Unternehmen und der Forschung sowie die Diskussion erfolgreicher Fallstudien sind dabei hilfreich. Auf dem 32. Münchner Management Kolloquium am 11. und 12. März 2024 erfolgt ein branchenübergreifender Know-How-Transfer. 

Damit Unternehmen trotz turbulenter Zeiten ihre Ziele erreichen und wettbewerbsfähig bleiben, müssen Wachstumshebel als Treiber für strategische Investitionen, organisatorische Entwicklungen, Marktauftritt und Expansion dienen. 

1. Neuausrichtung der Strategie 

Die strategische Neuausrichtung eines Unternehmens ist das Ergebnis eines kontinuierlichen Monitorings der Marktattraktivität und der eigenen Technologiefähigkeiten. Tesla verschaffte sich als Pionier in der Elektrofahrzeugbranche über Technologieführerschaft lange Zeit einen Wettbewerbsvorteil und entwickelte sich vom Nischenanbieter zum globalen Automobilgiganten. Viele chinesische Hersteller wie BYD oder MG folgen mit aggressiver Preis- und Kostenführerschaftsstrategie. Deutsche Automobilhersteller waren erfolgreich mit margenstarken Premiumfahrzeugen.

Für neues Wachstum müssen sie nachhaltige Mobilitätsangebote für die breite Masse anbieten und die Differenzierung zum Wettbewerb aufrechterhalten. Prof. Oliver Zipse, Vorsitzender des Vorstands der BMW Group, betont die Bedeutung der Systemintegration als entscheidende Kernkompetenz für den zukünftigen Erfolg. Andere Industrien können diesen Ansatz als Antwort auf ihre Herausforderungen von der Automobilindustrie lernen. 

2. Modernisierung des Leaderships 

Ein moderner Führungsstil fördert Kreativität, Eigenverantwortung und Agilität. Flache Hierarchien, offene Kommunikation, Mitarbeitereinbeziehung und gemeinsame Werte sind zentral. Ethisch orientierte Führung, die sich dem Umweltschutz und sozialen Verantwortlichkeiten verschrieben hat, stärkt die Loyalität der Kunden und die Arbeitgeberreputation, um dem Fachkräftemangel begegnen und neue Talente gewinnen zu können. Moderne Führungsstile finden sich bei zahlreichen innovativen Unternehmen der deutschen Wirtschaft, von der Airbus Operations GmbH bis hin zur Telekom Mobility Solution.  

3. Reduzierung der Wachstumsbarriere Komplexität 

Historisch gewachsene Strukturen und Prozesse können zu hoher Komplexität führen, die Wachstum und Wandel behindert. Rittal zeigt, wie modulare Baukästen die externe Produktvielfalt erhöhen und die interne Komplexität reduzieren. Dies führt zu Kosteneinsparungen, schlanken Prozessen und erweitertem Leistungsversprechen. Strategische Abspaltungen, wie die des Turboladerherstellers von Accelleron aus dem Technologiekonzern ABB, sind eine weitere Form der Komplexitätsreduktion, um sich auf andere Kerngeschäftsfelder der Zukunft zu fokussieren. 

4. Kompetenzaufbau für Nachhaltigkeit und Digitalisierung 

Die Erschließung von Wachstumspotenzialen ist mit dem Erkennen und Aufgreifen aktueller Trends verbunden. Tesa zeigt, wie Kompetenzaufbau in Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu Produktivitätssteigerungen und neuen Produkten führt. Vorstandsvorsitzender Dr. Norman Goldberg hat seine Organisation auf diese beiden Ecksäulen der Unternehmensstrategie ausgerichtet. Mit nachhaltigen Klebebändern und Debound-on-Demand-Klebebänder wird nicht nur die Kreislaufwirtschaft gestärkt, sondern auch neue Kunden gewonnen.

Das Wachstum in den Bereichen ist das Resultat eines stringenten Plans mit der Entwicklung neuer Kompetenzen und der Anreicherung des Unternehmens mit neuen Wissensträgern. Die GEA Group verfolgt mit ihrem Nachhaltigkeitslabel „Add Better“ ähnliche Ziele. Vorstandsvorsitzender Klaus Kleber betont, dass strenge Tests, Standards und Partnerschaften mit dem TÜV den Mehrwert für den Kunden sicherstellen, um in Nachhaltigkeit zu investieren. 

5. Gestaltung neuer Innovationslandschaften 

Die Innovationslandschaft verändert sich. Steigende Komplexität von Technologien und Produkten verstärkt den Trend zum Zukauf externer Innovationen. Entwicklungs- und Einkaufsorganisationen müssen lernen, wie viel Spezifikation dem Zulieferer vorgegeben wird, wie Angebote bewertet werden und unter welchen Voraussetzungen es günstiger ist, die Technologie oder das gesamte Unternehmen zu akquirieren. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Open Innovation und das Teilen der Rechte am geistigen Eigentum zu. Microsoft nutzt Open Innovation durch die Integration von GitHub, was Entwicklern weltweit ermöglicht, ihre Projekte gemeinsam voranzutreiben und die Innovationskraft des Unternehmens zu stärken. Dassault Systèmes zeigt, wie strategische Akquisitionen, wie die von Medidata Solutions, den Bereich der Life Sciences innovativ erweitern können.  

6. Adaption des Produktportfolios 

Die Adaption des Produktportfolios ermöglicht es Unternehmen, flexibel auf sich ändernde Marktanforderungen und Kundenbedürfnisse zu reagieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Ziel ist es, Portfolioüberschneidungen und -lücken zu vermeiden, Overengineering zu reduzieren und Produkte mit mehrpreisfähigen Features sowie resilienzfördernde Differenzierungen anzubieten. In der Industrie konnte AGCO durch markenübergreifende Modularität und Standardisierung nach dem Vorbild der Automobilindustrie die Effizienz steigern, während gezielte Marktanalysen und Regionalisierung eine breite Kundenbasis adressieren. Auch die Firma Interroll hat durch den Zukauf neuer Technologien das Produktportfolio im Bereich der Fördertechnik erweitert und sich als Gesamtlösungsanbieter für den Markt positioniert.  

7. Erweiterung der Serviceleistungen 

Ein weiterer Aspekt der Produktportfoliooptimierung ist die Gestaltung hybrider Leistungsbündel in Form von Servitization. Zeppelin Baumaschinen ist das Beispiel eines traditionellen Unternehmens, welches mit diesem Ansatz neue Geschäftsfelder erschlossen hat. Mit der Online-Plattform klickrent wurde der Mietmarkt für Baumaschinen revolutioniert und Wettbewerber verdrängt. Auch Automobilisten, Landmaschinenhersteller, Anlagen- und Maschinenbauer und Produzenten von Haushaltstechnik haben in den letzten Jahren das Produktportfolio durch die Einführung digitaler Dienstleistungen und intelligenter Technologien erweitert. AGCO bietet präzise Landwirtschaftslösungen wie Agrarsoftware, GPS-gesteuerte Maschinen und Datenanalyse-Tools sowie Trainings-, Wartungs- und Reparaturpakete an. Servitization ermöglicht es Landwirten, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten. Neue Umsatzquellen werden erschlossen und die Wettbewerbsposition gestärkt. BSH treibt die Vernetzung seiner Haushaltsgeräte voran und schafft ein ganz neues Endkundenerlebnis, dass eng mit der Marke assoziiert wird.  

8. Marktabschöpfung über Vertriebskanäle und Preispolitik 

Durch gezielte Nutzung und Optimierung verschiedener Vertriebswege sowie strategische Preisgestaltung können Unternehmen unterschiedliche Kundensegmente effektiv ansprechen und ihre Marktstellung ausbauen. Dormakaba, ein global führender Anbieter von Zugangslösungen, hat unter der Führung von Till Reuter seine globalen Marktstrategien verfeinert. Mit einer differenzierten Preispolitik kann Dormakaba sowohl preisbewusste als auch qualitätsorientierte Kunden ansprechen, neue Märkte erschließen und das globale Vertriebsnetzwerk mit direkten und indirekten Kanälen stärken. Die vielfältigen Produktoptionen, von Basismodellen bis hin zu hochwertigen Sicherheitslösungen, maximieren die Konsumentenrente durch zusätzliche, mehrpreisfähige Merkmale. 

9. Stärkung der Wertschöpfungsstrukturen und Partnerschaften 

Wachstumshebel nehmen Einfluss auf die Kompetenzprofile von Unternehmen. Um das Geschäft effektiv und effizient realisieren zu können und sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren, ist eine Neuausrichtung und Stärkung der Wertschöpfungsstrukturen erforderlich. Die Grundlage hierfür sind Partnerschaften mit anderen Unternehmen und Akteuren des Ökosystems. Ein Beispiel ist die Kooperation zwischen dem Roboterhersteller KUKA und den Versicherungsunternehmen Munich Re, um „Smart Factory as a Service“ anzubieten. Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel ist Siemens, das durch strategische Partnerschaften seine Wertschöpfungsstrukturen optimiert und neue Standorte ausbaut. Siemens investiert intensiv in den Standort Deutschland und treibt die Entwicklung digitaler Fabriken, smarter Produktionssysteme und des industriellen Metaverse voran. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Fertigungstiefe zu verbessern und die Innovationskraft zu stärken, indem sie modernste Technologien und digitale Plattformen integrieren. 

10. Internationalisierung der Geschäftstätigkeit 

Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit eröffnet Unternehmen neue Märkte und stärkt ihre globale Präsenz. Durch Investitionen in verschiedene Länder können Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten diversifizieren und von regionalen Vorteilen profitieren. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der deutsche Windkraftanlagenhersteller Enercon. Als Teil seines Turnaround-Plans hat Enercon nach wirtschaftlich schwierigen Jahren beträchtlich in asiatische Märkte wie Indien und Vietnam investiert. Diese strategischen Schritte ermöglichen es Enercon, seine Produktionskapazitäten zu erweitern, lokale Arbeitskräfte zu nutzen und näher an wichtigen Wachstumsmärkten zu operieren. Diese Maßnahmen haben die globale Marktstellung, Kostenposition und Wettbewerbsfähigkeit von Enercon signifikant verbessert. 

11. Sicherstellung einer Finanzierung 

Die Sicherstellung einer soliden Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung für nachhaltiges Wachstum und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Verschiedene Finanzierungsformen ermöglichen es Unternehmen, ihre Projekte und Expansionen zu realisieren und gleichzeitig finanzielle Stabilität zu gewährleisten. So hat sich die Flughafen München GmbH zu Jahresbeginn refinanziert erfolgreich am Kapitalmarkt refinanziert, um wichtige Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur stemmen zu können, aber auch bestehende Darlehen zu tilgen. Auch die Kion Group unter Führung von Rob Smith steht auf einer soliden Finanzierung ihres Wachstums, indem Sie sich auf das Kerngeschäft und die wichtigsten Forschungsaktivitäten für die Zukunft fokussiert.  

12. Qualität und kontinuierliche Verbesserung  

Qualität stellt einen entscheidenden Differenzierungsfaktor im Wettbewerb dar. Beispielsweise kann sich die Firma Kärcher in Produkttests immer wieder gegenüber seinen direkten Konkurrenten durchsetzen und so seine Marke stärken. Mit dem neuen COO Markus Limberger trat zu Jahresbeginn zudem ein Manager in den Vorstand ein, der eine ausgewiesene Supply Chain Excellence Expertise mitbringt. Qualität in Verbindung mit kontinuierlicher Verbesserung und Frühwarnsystemen für Risiken stärkt die Leistungsfähigkeit und Resilienz eines Unternehmens. Ein konkretes Beispiel ist die Bemühung von BMW, seine Wertschöpfungskette durch eine Partnerschaft mit Northvolt, einem schwedischen Hersteller von Batteriezellen, zu stärken. Ziel dieser Kooperation ist die Sicherstellung hochwertiger und nachhaltig produzierter Batteriezellen für Elektrofahrzeuge, während BMW sich auf seine Kernkompetenz im Fahrzeugbau konzentriert. Jedoch haben Qualitätsprobleme und kritische Berichte über Arbeitsschutz dazu geführt, dass ein milliardenschwerer Großauftrag storniert wurde und BMW nun nach neuen Partnerschaften Ausschau halten muss. Durch frühzeitige Erkennung bleiben die gesetzten Wachstumsziele erreichbar.  

Alle Wachstumshebel werden auf dem 32. MMK 2025 von den Referenten mit Lösungsansätzen aus der Praxis dargestellt. 

Über das #MMK25 und seine Gastgeber

Auf dem 32. Münchner Management Kolloquium (MMK) vom 11. bis 12. März 2025 präsentieren und diskutieren Top-Manager und Führungskräfte führender Unternehmen aktuelle Perspektiven und branchenübergreifende Best-In-Class Lösungsansätze für Wachstum und Transformation. Die Veranstaltung liefert im Dialog zwischen Forschung und Praxis Antworten und Impulse für mehr Erfindergeist und Unternehmertum. Top-Manager, Führungs- und Nachwuchskräfte sind eingeladen, zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Die dabei entstehende Vernetzung ist ein wichtiger Baustein für Veränderung und gemeinsames Wachstum. Es sprechen folgende und weitere Top-Referenten: 

Ricarda Engelmeier ist Geschäftsführerin der Münchner Management Kolloquium GmbH. Horst Wildemann ist Professor an der TU München und Geschäftsführer der Unternehmensberatung TCW (www.tcw.de) und Begründer des jährlich stattfindenden Münchner Management Kolloquium. Auf der Veranstaltung kommen, Forschung und Praxis zusammen und diskutieren über aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze. Informationen zur Veranstaltung und Karten sind verfügbar unter: https://management-kolloquium.de/ 

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